Telezentrik oder Barlow?
Eine Barlowlinse ist die bekannteste Möglichkeit, um die Brennweite und damit das Öffnungsverhältnis eines Teleskops zu verändern. Eine Telezentrik ähnelt einer Barlow, wird jedoch durch ein positives Linsenelement ergänzt. Das ermöglicht eine Brennweitenänderung des Teleskops bei zugleich parallelem Strahlengang. Für die meisten Anwendungszwecke genügt daher eine Barlowlinse; vor allem im Zusammenhang mit schmalbandigen Interferenzfiltern (wie bei der Sonnenbeobachtung im H-alpha) ist die aufwändigere Konstruktion eines telezentrischen Systems zwingend notwendig. Beide Systeme haben aber ihre eigenen Vorteile.
Zum Verständnis der Unterschiede muss man sich klarmachen: Die Lage eines Bildpunkts hängt davon ab, wie weit er von der Bildmitte entfernt ist. Bei einer Barlowlinse vergrößert sich der Abstand mit dem Verlängerungsfaktor, das Bild wird also nach der Barlow „aufgebläht“.

Schematischer Strahlengang mit einer Barlowlinse (gestrichelt: ohne Barlow-Element). Lichtstrahlen abseits der Bildebene (orange und grau dargestellt) divergieren nach außen. Siehe dazu auch die Animation.
Bei einer Telezentrik erfolgt die Vergrößerung rein innerhalb des telezentrischen Systems, die Lichtstrahlen bleiben also parallel und divergieren nicht nach außen. Das hat in der Praxis einige Effekte.

Schematischer Strahlengang mit einer Telezentrik (gestrichelt: ohne Telezentrik). Lichtstrahlen abseits der Bildebene (orange und grau dargestellt) bleiben parallel zu denen in der Bildmite (rot). Siehe dazu auch die Animation.
Zu den typischen Eigenschaften einer Barlowlinse gehört, dass sie den Augenabstand eines Okulars verlängert, da sie den Strahlengang des Teleskops aufweitet. Je nach Bauform (lang-/kurzbauend), Verlängerungsfaktor, Abstand zum Okular und Öffnungsverhältnis des Teleskops kann der Augenabstand um 20-30% zunehmen, was insbesondere bei langbrennweitigen Okularen mit ohnehin größerem Augenabstand unerwünscht sein kann, wenn die optimale Augenposition dann oberhalb der Augenmuschel liegt.
Dieser Effekt ist zuerst einmal unerwartet, da der Augenabstand ja eine Eigenschaft des Okulars ist. Durch den divergierenden Strahlengang der Barlow wird sie jedoch quasi zu einem Teil des Okulars, da sie die erwarteten Eigenschaften des einfallenden Lichtbündels verändert. Der Augenabstand eines Okulars ist für annähernd parallele oder konvergierende Lichtstrahlen angegeben – für divergierende Lichtstrahlen liegt die Bildebene weiter außen.
Das erweiterte Lichtbündel kann außerdem dazu führen, dass Licht an den Linsen des Okulars vorbei geht und das Bild daher vignettiert wird – die Vignetierung kommt dann nicht durch die Blenden oder den Linsendurchmesser der Barlowlinse, sondern entsteht im Okular, das für das resultierende Lichtbündel zu klein ist!
Bei einer Telezentrik wird kein Licht nach außen verlagert, daher ändert sich der Augenabstand auch nicht. Allerdings vergrößert sich das Lichtbündel auch nicht – wenn der Linsendurchmesser der Telezentrik kleiner ist als der des Okulars oder des Kamerasensors, führt dies zu Vignettierung.
Ein weiterer Effekt, der bei Barlowlinsen gerne übersehen wird, ist die Abhängigkeit des Vergrößerungsfaktors vom Abstand zwischen Barlow und Okular/Kamera. Je größer der Abstand, desto höher ist die Vergrößerung – mehr dazu finden Sie in diesem PDF: Berechnung von verschiedenen Vergrößerungen mit der VIP-Barlow. Aus diesem Grund sind viele Barlowlinsen von Baader Planetarium modular aufgebaut und ermöglichen es – ähnlich wie bei einem Zoom-Okular – die ideale Vergrößerung zu finden, um z.B. bei der Planetenfotografie die Vergrößerung an die Auflösung von Teleskop und Kamera anzupassen. Dabei funktioniert eine Barlow natürlich von der Schärfeleistung her nur optimal bei dem Vergrößerungsfaktor, für den sie gerechnet wurde.

Abbildungsvergleich 2.25x Q-Barow (mit Verlängerungshülsen auf 3x gebracht) und Baader SunDancer II Telezentrisches System TZ-3S (#1363070 , € 365,-)
Bei einer Telezentrik ist der Vergrößerungsfaktor dagegen weitestgehend vom Abstand unabhängig, auch wenn sie ebenfalls für einen optimalen Arbeitsabstand gerechnet ist. In der Praxis kann von diesem rechnerischen Idealabstand sehr deutlich abgewichen werden, ohne dass sich Vergrößerung und Bildqualität merklich ändern. Das TZ3-S ist z.B. so gutmütig gerechnet, dass sogar die riesige Baulänge eines zwischengeschalteten Binokularansatzes keinen Kontrast- oder Schärfeverlust bewirkt. Am Beispiel der älteren Baader TZ-2 finden sie Testergebnisse dazu in diesem PDF: Das Baader Telezentrische System TZS-2: Wie kritisch ist der Abstand des Linsenelements zur Bildebene einzuhalten?
Damit ist eine Barlowlinse flexibler, wenn man eine geringfügige Änderung des Vergrößerungsfaktors erreichen will, während eine Telezentrik immer ziemlich genau den angegebenen Vergrößerungsfaktor liefert – auch wenn sich weiteres Zubehör zwischen Telezentrik und Okular befindet.
Zuletzt ist noch die Verlagerung des Fokuspunkts zu beachten, genauer gesagt die Position des Okularauszugs: Mit einer Barlowlinse muss der Okularauszug um ein bis zwei Zentimeter weiter eingefahren werden als ohne. Bei einer Telezentrik verschiebt sich der Fokuspunkt weniger stark – wobei das auch davon abhängt, wie gut Sie den idealen Arbeitsabstand einhalten wollen. Ausführlichere Informationen dazu finden sie in diesem PDF: Baader Telezentrische Linsensysteme für die Sonnenbeobachtung mit schmalbandigen H-alpha Filtern
Auch das hat Vor- und Nachteile. So wird eine Barlow gerne empfohlen, um auch dann in den Fokus zu kommen, wenn der Okularauszug nicht weit genug eingefahren werden kann. Eine besondere Variante einer Barlowlinse ist der Glaswegkorrektor, der für einen Binokularansatz die Fokuslage so verändert, dass man doch in den Fokus kommt. Bitte beachten Sie: Ein Glaswegkorrektor ist keine reine Barlowlinse, sondern eine spezielle Abwandlung davon. Da er zugleich die lichtbrechenden Effekte der Prismen eines Binokularansatzes korrigiert, ist er anders aufgebaut als eine Barlowlinse.
Telezentriken und die Sonne
Sowohl Barlowlinse als auch Telezentrik haben also ihre Vorteile, und bei guter Fertigungsqualität nehmen sie sich für die meisten Anwendungen wenig. Bei der H-alpha-Sonnenbeobachtung ist ein telezentrisches System jedoch alternativlos: Bei einer Barlowlinse sorgt die Divergenz der Strahlen dafür, dass die Lichtstrahlen mit zunehmendem Abstand von der Bildmitte leicht schräg durch den eigentlichen H-alpha-Filter (das Etalon) laufen.
Da ein Etalon (oder: Filter nach Fabry-Pérot) auf Interferenz beruht, kommt es auf den exakten Weg an, den das Licht zwischen den beiden λ/100 planparallelen Flächen des Etalons zurücklegt. Man muss wissen, dass ein Strahlenbündel in einem solchen – nur ~2/10 mm dicken – Etalon zwischen den beidseitigen dielektrischen Beschichtungen bis zu 1000-fach hin und her gespiegelt wird. Nur so können sich alle unerwünschten Wellenlängen durch Interferenz auslöschen, sodass lediglich nur H-alpha-Licht aus dem Etalon austritt. Wenn jedoch das in das Etalon einfallende Strahlenbündel durch eine Barlowlinse bereits divergent verläuft – oder durch ein natives f/30 Objektiv konvergent –, dann wird bei tausendfacher Spiegelung die Extinktion im Etalon zum Rand hin anders verlaufen als in der Mitte. Dadurch ändert sich von der Mitte zum Rand hin auch die Halbwertsbreite eines derart falsch verwendeten Etalons – was bei hochpräzisen Filtern mit 0,3-0,7 Angstrøm (Å) Durchlassbreite einen enormen Kontrastverlust bewirkt. Wie gesagt – sogar Teleskope, die von Haus aus das gewünschte Öffnungsverhältnis von f/30 oder langsamer hätten, haben dennoch nicht den parallelen Strahlengang einer Telezentrik. In diesem Fall konvergiert der Strahlengang und würde ebenfalls z.B. aus einem 0,5Å-Filter einen 0,7Å-Filter machen – oder zu einem noch breiteren Durchlassbereich (Halbwertsbreite) führen.
Speziell für die High-End-Sonnenfilter von Solar Spectrum und vergleichbare Konstruktionen, bei denen das Etalon hinter dem Objektiv sitzt, bietet Baader Planetarium aus o.g. Gründen seit Jahrzehnten telezentrische Systeme an, die speziell für die H-alpha-Linie gerechnet wurden. Seit 2022 wird die Reihe durch das achromatische SunDancer II TZ3-S ergänzt, welches für das gesamte sichtbare Spektrum gerechnet ist – das folglich auch für die Beobachtung der Kalzium-K-Linie Anwendung finden kann, stets in Verbindung mit einem für Kalzium-K geeignetem Etalon.
Der einzige Nachteil der Telezentriken für die H-alpha-Beobachtung – nämlich die aufgrund des gewünschten Öffnungsverhältnisses von f/30 sehr hohe Brennweite – lässt sich mit einem für die Telezentrik passend gerechnetem Reducer (0,4x bzw. 0,7x Telekompressor) teilweise wieder ausgleichen.

Beispielanwendung: 2" Research Grade TZ-3 Telezentrisches System (3-fache Brennweite) (#2459257 , € 445,-)
Die telezentrischen Systeme von Baader Planetarium
Das
Baader SunDancer II Telezentrisches System TZ-3S
Baader SunDancer II Telezentrisches System TZ-3S (#1363070, € 365,-)
ergänzt seit 2022 die Reihe der Baader Telezentriken; die Telezentrik wird auch in den SunDancer II H-alpha-Filtern verbaut – dort jedoch zusätzlich mit einem integrierten Blockfilter (welches nicht separat erhältlich ist). Für die Verwendung mit anderen H-alpha-Ansätzen, die bereits über einen Blockfilter verfügen, ist die TZ3-S nun auch einzeln ohne Blockfilter erhältlich.
Als achromatisches System liefert sie über das gesamte sichtbare Spektrum ein scharfes, kontrastreiches Bild. Der Bildkreis in 96 mm Abstand beträgt 35 mm, sodass sie auch für die Planetenfotografie bzw. generell für Kamerasensoren bis etwa dieser Diagonale (bzw. generell mit 1,25"-Anschluss) hervorragend geeignet ist. Kameraseitig bietet sie ein T-2-Gewinde, teleskopseitig ist sie mit einem dualen 1,25"/2"-Steckanschluss ausgerüstet.
Ebenfalls seit 2022 rundet das
Baader SunDancer II Telezentrisches System TZ-4S
Baader SunDancer II Telezentrisches System TZ-4S (#1363080, € 385,-)
die Familie der SunDancer-Telezentriken ab. Genau wie die 3x Telezentrik ist sie ein achromatisches System, jedoch mit einem deutlich größerem Bildkreis von 36 mm und einem Arbeitsabstand von 97 mm. Damit ist sie auch für alle außer den größten SolarSpectrum-H-alpha-Filter geeignet, ebenso wie für die hochaufgelöste Sonnen- und Planetenfotografie im Weißlicht. Für den Einsatz mit dem SunDancer II H-alpha-Filter muss der Blockfilter des H-alpha-Filters in die TZ-4S eingebaut werden.
Die Telezentriken Telezentrisches System Tz-2 und Telezentrisches System TZ-4 (4-fache Brennweite) (#2459256 , € 387,-) sind bereits länger auf dem Markt und wurden speziell für die H-alpha-Linie bei 656,3nm ausgelegt, wo sie ihren höchsten Strehlwert aufweisen. Beide haben beidseitig T-2-Anschlussgewinde und teleskopseitig eine 2"-Steckhülse. Da es mittlerweile praktisch keine Teleskope mit f/15 mehr gibt, wird die TZ-2 nicht mehr nachproduziert – als nicht achromatisches System ist sie nur für den Einsatz mit H-alpha-Filtern an langsamen Teleskopen optimal geeignet. Die TZ-4 ist weiterhin lieferbar und für Teleskope mit etwa f/7,5 ausgelegt.
Das
2" Research Grade TZ-3 Telezentrisches System (3-fache Brennweite)
2" Research Grade TZ-3 Telezentrisches System (3-fache Brennweite) (#2459257, € 445,-)
liefert in Abhängigkeit vom verwendeten Teleskopsystem bis zu 99% Strehl bei der H-alpha-Linie von 656,3 nm, sogar für Calcium-K (396nm) liefert es noch beugungsbegrenzte Abbildung mit ca. 80% Strehl. Gegenüber der zwanzig Jahre älteren TZ-4 bietet es nicht nur eine deutlich bessere Optikrechnung, sondern auch ein größeres Bildfeld: Mit 46mm freier Eintrittsöffnung passt es perfekt zu den großen SolarSpectrum Research Grade Filtern mit 46mm Öffnung. So lassen sich auch an großen Teleskopen mit entsprechend großer Brennweite große Kamerasensoren verwenden, um ggf. die gesamte Sonne zu überblicken oder große Felder zu fotografieren – je nach resultierender Brennweite. Nicht zuletzt wegen des größeren Bildausschnitts kann es durchaus sinnvoll sein, statt der TZ-4 zur Research Grade TZ-3 zu greifen und das Teleskop abzublenden, um auf die erforderlichen f/30 zu kommen. Den Verlust an Objektivauflösung gleicht der bessere Filterkontrast in der Regel wieder aus und in Verbindung mit einem Telekompressor lässt sich die Brennweite mindern.
Die 2" Research Grade TZ-3 hat beidseitig 2“ SC- T-2-Gewinde, um auch schwere Kameras und Filtereinheiten frei von Verkippung am Okularauszug fest zu verschrauben.
Telekompressoren für Telezentriken
Der Öffnungsdurchmesser von Telezentrik und H-alpha-Filter sowie die Brennweite bestimmen das überschaubare Bildfeld – also, wie viel von der Sonne auf einmal sichtbar ist.
Wenn hinter einer Telezentrik ein Telekompressor (Reducer) eingesetzt wird, sinkt die Vergrößerung wieder, während der Bildausschnitt gleich bleibt. Mit einem Telekompressor sieht man also nicht mehr von der Sonne, aber die Vergrößerung sinkt, sodass ggf. das gesamte, nun kleinere Bild auf einen Kamerasensor passt oder Beobachtungen auch bei schlechtem Seeing möglich sind, wenn ansonsten die Mindestvergrößerung (bei hoher Luftturbulenz) zu hoch wäre.
Der
Research Grade H-alpha 0.4x Telekompressor 2" für Solar Spectrum
Research Grade H-alpha 0.4x Telekompressor 2" für Solar Spectrum (#2459260, € 366,-)
reduziert die Brennweite verlustfrei um den Faktor 0,4x. Das Bildfeld beträgt dann 16 mm bei einem Abstand von 74 mm zum Kamerasensor. Ähnlich wie bei einer Barlowlinse hängt der Reduktionsfaktor vom Abstand ab, der Arbeitsabstand sollte also eingehalten werden. Da er das vom H-alpha-Filtersystem vorgegebene Bildfeld deutlich komprimiert, kommt es bei großen Sensoren und kleineren H-alpha-Filtern zu Vignettierung, daher bietet er sich für die großen Research Grade Filter mit 46 bzw. 32mm Öffnung an.
Der
H-alpha 0.7x Telekompressor 2" für Solar Spectrum
H-alpha 0.7x Telekompressor 2" für Solar Spectrum (#2459259, € 313,-)
kann aufgrund der kleineren Linsendurchmessers nur den Strahlengang aufnehmen, den ein Filter mit maximal 35 mm Etalondurchmesser produziert. Da er das Bild aber auch weniger komprimiert, ergibt sich z.B. bei 25 mm Etalondurchmesser mit der TZ-3 ein Felddurchmesser von ca 17 mm, das nutzbare Feld ist also vergleichbar zum 0,4x Telekompressor. Der 0,4x Telekompressor würde also einen genauso großen Sensor ausleuchten – der Bildausschnitt samt Sonne wäre allerdings kleiner, und ein größerer Teil des Bilds wäre vignettiert bzw. würde nur die Rückseite der Filterfassung zeigen.
Über den Autor: Alexander Kerste

Alex ist von Haus aus studierter Biologe und arbeitet als Freiberufler unter anderem als Autor, Berater und Übersetzer. Nach dem Studium und der Veröffentlichung des Kosmos Sternkarten-Sets im Jahr 2004 war er unter anderem regelmäßiger freier Mitarbeiter bei Astronomie Heute und dem Jahrbuch Der Himmel für den Spektrum-Verlag in Heidelberg. Er betreut die Einsteigerkurse auf www.Astronomie.de und ist seit 1993 ehrenamtlich auf der Heilbronner Robert-Mayer-Sternwarte aktiv. Seitdem hat er eine Reihe von Büchern veröffentlicht, über Celestron-Teleskope ebenso wie über Digiskopie und zuletzt Astrofotografie. Eines seiner Bücher über Astronomie mit dem Fernglas ist auf freebook.fernglasastronomie.de auch frei zugänglich. Außerdem betreut er Nordlicht-und-Sterne-Reisen auf der Hurtigrute – auch diese wurden in einem Reiseführer verarbeitet, die Reiseberichte gibt es auch in seinem Blog auf kerste.de.