H-alpha Sonnenbeobachtung mit SolarSpectrum Filter: Ein Beobachtungsbericht

... von wegen die Sonnenbeobachtung ist langweilig … viele Beobachter glauben, dass die Sonne auf ihrem Weg zum Aktivitätsminimum langweilig geworden ist - jedenfalls NICHT für Sonnenbeobachter, die ein H-alpha Filter besitzen ...

AR 2672

AR 2672

Fleckengruppe AR 2674

Fleckengruppe AR 2674

Während sich am 29. August 2017 am Westrand der Sonne die Fleckengruppe AR 2672 langsam verabschiedet, taucht am Ostrand der Sonne die große Fleckengruppe AR 2674 auf und überraschte mit "heftiger spritziger" Aktivität («).

Das Aktivitätsgebiet entwickelte sich im Laufe der nächsten Tage zu einer der größten bipolaren Fleckengruppe der letzten Jahre, blieb aber trotz ihrer Größe relativ inaktiv.


ALLE folgenden Bilder wurden mit einem SolarSpectrum Sundancer oder einem SolarSpectrum Advanced H-alpha Filter aufgenommen - beide mit einer Halbwertsbreite von 0.5 Angstroem.

Aufnahmeteleskop war ein 6" AstroPhysics Refraktor mit einem Baader D-ERF Filter auf 110mm abgeblendet. Der für die SolarSpectrum erforderliche f/30 Strahlengang wurde mit einem Baader telezentrischem System TZ-3 erzeugt.

Die daraus resultierende Brennweite von 3.300 mm wurde mit dem Baader H-alpha Reducer TC RG 04 auf ca. 1.500mm reduziert. Alle Rohavifiles wurden mit einem Celestron SkyRis 445M Videomodul aufgenommen. Anzahl der Rohbilder jeweils 2.000, gestackt zum Rohsummenendbild jeweils 10%.


Am späten Nachmittag des 29. August stand AR 2674 immer noch sehr dicht am Ostrand der Sonne wobei die Gruppe bereits leichte Flareaktivität zeigt

Die Bildsequenz unten zeigt AR 2674 am nächsten Tag dem 30. August. Beide Hauptflecken sind nun sichtbar. Die Bilderserie zeigt in den ersten drei Bildern die Sonnenoberfläche im blauen Flügel der H-alpha Linie. Das erste Bild zeigt so genannte Ellerman bombs - Microflares mit einer Lebensdauer von nur wenigen Minuten. Bild 2 und 3 zeigen sich schnell bewegende Surge Filamente.

 

Das letzte Bild zeigt AR 2674 in der H-alpha Linie mit leichter Flareaktivität.

Am 31. August und am 1. September war bei mir das Wetter schlecht, aber am 2. September konnte ich wieder beobachten. Im Weißlicht (Bild links) hat sich AR 2674 zu einer prächtig großen bipolaren Gruppe mit vielen Lichtbrücken entwickelt. Im blauen Flügel der H-alpha Linie zeigen sich ausgeprägte Regionen mit Ellerman bombs (Bild mitte) und einer starken Aktivität von schnellen Surge Filamenten (Animation rechts).


Dann aber passierte etwas völlig unerwartetes. Der bislang völlig unscheinbare, kleine H-Fleck AR 2673 - südlich des Sonnenäquators - entwickelte sich innerhalb von nur 36 Stunden (2. auf den 3. September) zu einem großen und sehr komplexen Aktivitätsgebiet.

AR 2673

Das Weißlichtbild stammt vom 2. September (© by D. Lucius). Im H-alpha Licht war AR 2673 am 2.9. völlig unscheinbar.

AR 2673

Am 3. September zeigt AR 2673 bereits eine sehr interessante Struktur.

Unter dieser URL kann man eine Animation der NOAA zur Entwicklung von AR 2673 anschauen.

Eine so rasante Entwicklung eines Aktivitätsgebietes habe ich in 40 Jahren Sonnenbeobachtung noch NIE erlebt.


Die nächsten 4 Bilder zeigen AR 2673 und AR 2674 am 4. September.

AR 6273 im blauen Flügel der H-alpha Linie

AR 6273 im blauen Flügel der H-alpha Linie

M-Class Flare in AR 2673 am 4. September

M-Class Flare in AR 2673 am 4. September

AR 2674 und AR 2673 im Weißlicht

AR 2674 und AR 2673 im Weißlicht


Eine beeindruckende stationäre Protuberanz gab es am 4.9. als Zugabe ...

Eine beeindruckende stationäre Protuberanz gab es am 4.9. als Zugabe ...

Das Magnetfeld von AR 2673 hatte eine so genannte "beta gamma-delta" Struktur, das bedeutet, dass das Magnetfeld genügend Energie für M- und X-Class Flares enthält. Und tatsächlich "feuerte" die Gruppe dann auch über die nächsten Tage mehrere M-Class Flares ab, die u.a. auch heftige Polarlichtaktivitäten, sichtbar in ganz Skandinavien, auslösten.

»Zur Flare Klassifikation siehe hier weitere Infos


Die nächsten 3 Bilder zeigen AR 2673 + AR 2674 am 5. September in der H-alpha Linie (links). An diesem Tag war AR 2674 mit schnellen Surge Filamenten aktiv. AR 2673 zeigte über den ganzen Tag M-Class Flare Aktivitäten (Animation Bild mitte am Vormittag und Animation Bild rechts am Nachmittag).

AR 2673 + AR 2674am 5. September in der H-alpha LinieAR 2674AR 2674


Am 6. September - gegen 12 Uhr UT - ereignete sich dann einen X 9.3 Flare (Bild links). Dies war das energiereichste Flare seit mehr als 10 Jahren, es steht in seiner Stärke seit dem Jahr 1976 auf Platz 14. Die damit getriggerten Polarlichter müssen in ganz Skandinavien einen unvergesslichen Anblick geboten haben.

Natürlich war bei mir am 6. September schlechtes Wetter ...


AR 2673 am 7. September, aufgenommen bei extrem schlechtem Seeing

AR 2673 am 7. September, aufgenommen bei extrem schlechtem Seeing

AR 2673 + AR 2674 im blauen Flügel der H-alpha Linie mit einem schnellen Surge Filament (zwischen den beiden Aktivitätsgebieten) am 9. September 2017

AR 2673 + AR 2674 im blauen Flügel der H-alpha Linie mit einem schnellen Surge Filament (zwischen den beiden Aktivitätsgebieten) am 9. September 2017

In den nächsten Tagen folgten noch mehrere M-Class Flares. Am 10. September, als AR 2673 schon hinter dem Westrand der Sonne unsichtbar war, "feuerte" das Aktivitätsgebiet noch einen Flare der Klasse X 8.2 ab, der 10 Stunden später eine wunderschöne post flare Loop Protuberanz zur Folge hatte. Leider erst gegen 18 Uhr MESZ, für mich leider nicht mehr beobachtbar.



Während sich AR 2673 am 10. September ca. 10 Stunden vor dem X 8.2 Flare am Westrand mit kompliziert strukturierten Protuberanzen ähnlich einer riesigen Achterbahn verabschiedete, stand auf der Ostseite des Sonnenrandes bereits das nächste große Protuberanzengebiet

Von wegen die Sonnenbeobachtung ist langweilig … viele Beobachter glauben, dass die Sonne auf ihrem Weg zum Aktivitätsminimum langweilig geworden ist ...

... so braucht der mit einem H-alpha Filter ausgrüstete Amateur auch das kommende Sonnenfleckenminimum nicht zu fürchten.


Über den Autor: Wolfgang Paech

Wolfgang Paech

Dipl. Ing. Wolfgang Paech betreibt Astronomie seit nunmehr über 50 Jahren. Neben seinen zahlreichen Erfahrungen mit Sternwarten-Kuppeln aller Art sind seine Kerngebiete die Sonne und der Mond. Auf der Website www.chamaeleon-observatory-onjala.de finden Sie einen kompletten Mondatlas, aufgenommen mit seiner Standardtechnik. Aber auch in Sachen Deep-Sky und Planeten kann ihm, als langjährig erfahrenem Astrofotograf, niemand etwas vormachen.

Die 50+ Jahre Amateurastronomie mit vielen weiteren Bereichen, wie z.B. der Restaurierung historischer Amateurteleskope, Polarlichtreisen und vielem mehr sind auf seiner privaten Webseite unter www.astrotech-hannover.de aufbereitet.


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