Bericht zur visuellen Nutzung des Baader H-Beta 5.5nm CMOS Filters

Im Sommer 2021 fragte ich bei Baader Planetarium nach, ob ich die neuen OIII CMOS Filter paarweise zwecks Erkundung ihrer visuellen Möglichkeiten in der Fernglasbeobachtung galaktischer Nebel ausleihen könnte. Zu meiner Freude und Überraschung boten mir die Herren Baader daraufhin an, mir nicht nur den gewünschten O-III Narrowband-Filter (6.5nm) – CMOS-optimiert (verschiedene Versionen / Varianten erhältlich) , sondern auch einen Prototyp des jetzt erhältlichen H-Beta Narrowband-Filter (5.5nm) – CMOS-optimiert (verschiedene Versionen / Varianten erhältlich) zu schicken – paarweise in sowohl 1¼" als auch 2" Schraubfassungen!

Ich hatte – ich muss es gestehen – zunächst keine besonderen Erwartungen an diesem Filter. Zu sehr war auch ich von den herrschenden Mythen bzgl. H-Beta-Beobachtung eingenommen worden, wonach 1) visuell das Bild schon mit 12nm H-Beta Filter und erst recht mit engerer Halbwertsbreite zu dunkel werde, 2) nur sehr wenige Objekte mit H-Beta beobachtbar seien, 3) diese nur unter bestem Himmel und mit großem Gerät erreichbar seien. Ich freute mich jedoch über das ausgesprochene Vertrauen an mich und den Pioniergeist, den die Herren Baader damit an den Tag legten.

Schon meine erste Vergleichsbeobachtung am Kaliforniennebel hat die Mythen 1) und 3) als überholte Lehrmeinung entlarvt:

In der zweiten Hälfte der Nacht vom 3. auf 4. September 2021 erreichte die Himmelsqualität FST 5m4 – das Beste, was ich an meinem Wohnort erhoffen kann – und der Perseus war um diese Nachtzeit schon recht hoch am Himmel. So richtete ich das 10x70 Fernglas auf den Kaliforniennebel NGC 1499, nacheinander drei verschiedene H-Beta Filtertypen paarweise auf die Okulare platzierend. Die Beobachtungen im Einzelnen:

  • Ungefiltert: Kein Nebel zu sehen. Eingedenk der wunderbaren Sichtungen, die mit H-Beta Filter an diesem Nebel möglich sind, überrascht mich die Unsichtbarkeit im ungefilterten Bild stets.
  • Astronomik H-Beta 12nm: Ein breites Nebelband ist eindeutig auszumachen, konkav zu Xi Per gekrümmt. Ca. 1,5° lang und 0,7° dick. Es ist schwer zu erkennen wo das Band genau endet. Die langen Flanken nach Nordosten und Südwesten dagegen klar.
  • Baader H-Beta 8,5nm CCD: Ein auffälliger, gekrümmter Nebel. Im Vergleich zu H-Beta 12nm ist mit H-Beta 8,5nm der Kontrast zum Himmelshintergrund besser und der Nebel gewinnt an Länge, nun ca. 2° erreichend. Eine auffällige Ausbuchtung in der Mitte der nordöstlichen Flanke sieht aus wie eine sehr flache, lange Rückenflosse eines Fisches.
  • Baader H-Beta 5,5nm CMOS: Dramatisch bester Anblick. Der Nebel steht scharf abgegrenzt von der dunklen Umgebung, besonders nach Nordosten. Die Ränder sind noch deutlicher als mit H-Beta 8,5nm. Der Kontrastgewinn geht nicht auf Kosten von Details oder Ausdehnung des Nebels. Ganz im Gegenteil: nach Osten wird erkennbar, dass der Nebel sich über ca. 2° weiter zieht, somit eine Gesamtlänge von 4° hat! Dieser Fortsatz des Nebels ist sehr zart, die Krümmung des hellsten Teils (bei Xi Per) fortführend, sich zuerst nach Osten und dann nach Süden krümmend, beinahe bis zum Stern HD 26311 reichend.

An Stelle einer Skizze verweise ich hier auf das linke Foto welches gut die Größe des Nebels zeigt, so wie ich ihn mit dem 5.5nm Filterpaar am 10x70 Fernglas sah.

Der Nebel war tatsächlich in dieser Ausdehnung zu sehen - natürlich nicht mit solchem Kontrast oder so detailreich, aber in dieser Größe. HD 26311 ist der helle Stern (visuell 5m7) nahe dem unteren Rand des Fotos. Das Foto vermittelt auch einen guten Eindruck der von mir beschriebenen "Rückenflosse" an der nördlichen Flanke des Nebels gegenüber von Xi Per.

Den enormen Gewinn des 5,5nm Filters in der visuellen Fernglas-Beobachtung ausgedehnter Nebel konnte ich seitdem mehrfach am Kaliforniennebel sowie an weiteren Nebeln des Sommer- und Herbsthimmels bestätigt finden. Der Filter ist derart bahnbrechend, dass ich beide Filterpaare käuflich erwerben wollte, ja musste. Ich würde mich nicht als wohlhabend bezeichnen, die Auswirkungen auf den Geldbeutel sind spürbar, doch ich meine, dass dieser Filter für jeden engagierten Nebelbeobachter preiswert ist angesichts der neuen Türen, die er in der visuellen Beobachtung aufstößt.

Aus meiner jahrelangen Beschäftigung mit OB-Sternassoziationen und den mit ihnen verbundenen Sternentstehungsgebieten – welche viele der Prachtobjekte des Nachthimmels umfassen – weiß ich, dass diese regelmäßig von ausgedehnten Nebelhüllen umgeben sind, die in H-Alpha/Beta/Gamma leuchten. Sie sind mindestens so zahlreich und vielfältig wie die OIII-dominierten Teile der Sternentstehungsgebiete, da jene nur in den aktiven Kernen solcher Gebiete vorkommen. Sie decken ganz fraglos ein Vielfaches an Himmelsareal ab im Vergleich zu den OIII-dominierten Nebeln. Es darf angenommen werden, dass ca. 200 Objekte darauf warten, mit H-Beta visuell erkundet zu werden. So freue ich mich darauf, auch Mythos 2) fortschreitend zu entkräften.

Selbstverständlich wird es Situationen geben, in denen der 8.5nm H-Beta Filter oder auch ein gängiger 12nm H-Beta Filter eines Wettbewerbers von Vorteil ist. Schließlich würde auch niemand behaupten wollen, dass ein einziges Okular für alle Situationen das Optimum darstellt. Wichtig ist vielmehr, dass mit der Ankunft des Baader 5.5nm H-Beta Filters Himmelsbeobachter endlich in der Lage sind, aus einer Palette verschiedener H-Beta Filter – mit verschiedenen Eigenschaften und alle visuell tauglich – den jeweils optimalen Filter heraus zu greifen, ganz so, wie wir im Okularkoffer unsere Wahl des Okulars treffen.

Christopher HayHerr Hay ist Ko-Autor des Beobachteratlas für Kurzentschlossene (BAfK). Dies ist der erste deutschsprachige Beobachtungsführer der, neben den klassichen Objekttypen, auch die OB-Sternassoziationen systematisch als beobachtbare Objekte präsentiert und die physikalischen und beobachterischen Zusammenhänge mit den verbundenen galaktischen Nebeln ausarbeitet. Der BAfK ist kostenlos zum Download erhältlich unter: www.freunde-der-nacht.net

Das H-Beta 5.5nm CMOS Filterpaar war zum Zeitpunkt der Beobachtung eine Prototyp-Leihgabe der Firma Baader Planetarium und damals noch nicht auf dem Markt. Ich danke den Herren Baader für ihr Bewusstsein der potenziellen visuellen Leistungsfähigkeit von fotografisch ausgelegeten Schmalbandfiltern, und für ihre Bereitschaft zur Leihgabe, womit es mir möglich wurde, diese Leistungsfähigkeit zu erkunden.

Christopher Hay,
64342 Seeheim-Jugenheim


Über Filteranwendung an Ferngläsern

Mythos 4): Filterplatzierung auf der Augenlinse des Okulars sei zu vermeiden. Meine jahrelange Erfahrung an Ferngläsern widerlegt diese Behauptung. Wichtig ist vor allem, dass das Fernglas reichlich Pupillenabstand hat, damit ein Filter und seine Halterung zwischen Auge und Fernglasokular Platz findet, und das gesamte Feld somit noch bequem zu überblicken bleibt. Dann kann sogar die Brille aufgelassen werden. Dies kann mitunter für Brillenträger bei den gebotenen großen Austrittspupillen bei der Nebelbeobachtung unerlässlich sein, so auch für mich. Folglich fiel meine Wahl auf das Fujinon FMT SX2 10x70. Dieses Glas erfüllt alle erwünschte Merkmale: großer Pupillenabstand (23mm); hervorragende Transmission im Blauen; kurzzeitig gut freihand nutzbar (1,9kg), unterstützt durch das gutmütige Einblickverhalten.



Die großen Augenmuschel in Verbindung mit dem großen Pupillenabstand machen die Filteradaption leicht: Mit sehr dünnem doppelseitigem Klebeband habe ich einen Einlegeadapter aus dem T2-System flach hineingeklebt. Dieser besitzt ein 28,5mm Innengewinde (Bezug: Astro-Shop Vesting für ca. 15 EUR pro Stück). Fertig! Filter in 1,25”-Schraubfassung können nun in Sekundenschnelle eingeschraubt und wieder entfernt werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Filter die “Low-Profile” Filterfassungen haben, die heute Standard sind. Alte “High-Profile” Fassungen können entscheidende Millimeter kosten.


Bei der Schmalbandbeobachtung stört von außen auf die Okulare/Filter fallendes Licht sehr. Der als “Bino Bandit” vertriebene Streulichtschutz gibt Abhilfe. Er erlaubt in aufgehellter Beobachtungsumgebung einen entscheidenden Zugewinn in der Kontrastwahrnehmung – hier vorne links am Fujinon FMT 10x70 zu sehen, vorne rechts am Zeiss DS 7x45. Das Docter Nobilem 8x56B im Hintergrund vereint ebenfalls alle erwünschte Merkmale für die okularseitige Filterung in hervorragender Weise in sich. Wenn es um ein größeres Sehfeld oder längere Beobachtung geht (das 10x70 ist das leistungsfähigste Gerät in dieser Auswahl, die 1,9kg ermüden jedoch recht bald), ist das 8x56 oder das 7x45 das Instrument der Wahl. Das 7x45 nutzt optimal die 45mm freie Öffnung von 2-Zoll-Filterfassungen bei objektivseitiger Anbringung.

Die Fernglas-Austrittspupille von 7mm bzw. 6,5mm mag manchem Sternfreund übergroß erscheinen. Sie erleichtert jedoch die Platzierung der Augen-Eintrittspupillen im Verhältnis zu den Okularen, was zum gutmütigen Einblickverhalten beiträgt. Vor allem: der Himmelshintergrund ist auch unter aufgehelltem Vorstadthimmel mit 5,5nm Filter wirklich dunkel. Dadurch geht die Augenpupille voll auf! Voraussetzung ist, dass gleichzeitig das Umgebungslicht gut abgeschirmt wird damit die Dunkeladaptation nicht verloren geht. So gefiltert und abgeschirmt erscheinen im 10x70 Glas galaktische Nebel auch unter Vorstadthimmel wesentlich heller und besser von ihrer Umgebung abgesetzt als z.B. in einem 10x42 Fernglas.

 

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